Im November 2024 erhielt ich meine Asperger Autismus Diagnose. Und damit erklärte sich für mich mein bisheriges Leben. Jedoch brachte mir das nur im ersten Moment eine Erleichterung. Denn neben einigen wirklich erwähnenswerten Vorteilen, gibt es auch die Kehrseite der Medaille, zumindest hatte es eine Zeit lang diesen Anschein für mich. Denn im ersten Moment ärgerte ich mich darüber, dass ich erst mit 40 Jahren die Diagnose erhielt, die mir eine zufriedenstellende Erklärung liefert über all die Dramen, die ich bis dahin überstehen musste. Erst mit etwas Abstand konnte ich die Chancen und Möglichkeiten erkennen, die mir die Richtigstellung bot und vor allem eine lebensentscheidende Erkenntnis: Ich kann alles lernen was ich lernen möchte, Tore und Türen stehen mir offen!“
Wie ich zu meiner Asperger Autismus Diagnose kam
Geahnt habe ich es schon mein ganzes Leben. Ich bin irgendwie anders. Ich habe eine ganz andere Wahrnehmung, ein ganz anderes Empfinden als viele andere Menschen, die ich kannte. Doch erst als ich die Heilerlaubnis erlangt habe, bekam ich die Anerkennung, nach der ich mein ganzes Leben lang suchte. Ja in Deutschland braucht man Zertifikate, man braucht Urkunden, man braucht sogenannte Darf- Scheine, um jemand zu sein. In meinem Fall war es die Überprüfung vor dem Gesundheitsamt, die mir bescheinigte keine Gefahr für die Volksgesundheit zu sein.
Und so fand ich mich im November diesen Jahres in der Fachausbildung „ADHS Diagnostik und Therapie“ bei Nicolai Semmler wieder, als einziger Heilpraktiker unter lauten Ärzten und Psychologen. Und dort war auch Birte, selbst Ärztin und Asperger Autistin, die im übrigen nur Medizin studierte um sich selbst und anderen zu helfen, die auch herausfand, dass sie zum neurodivergenten Spektrum gehörte, nachdem auch sie verschiedene Diagnosen sammelte, die alle nicht so richtig zugetroffen haben – welch Wunder.
Und das erste was sie zu Nico sagte: „Daniel leuchtet“. Sie meinte man sieht mir meinen Asperger Autismus an. Mein Gang, meine Sprache, meine ganze Art – typisch für Autisten. Und so bescheinigte mir Nicolai Semmler kurz darauf meinen Autismus schriftlich, damit auch mein Arzt die Diagnose anerkannte und alle anderen bis dahin gesammelten Diagnosen streichen konnte. In diesem Zusammenhang wurde ich selbst dazu befähigt klinisch zu diagnostizieren. Wenn du also nicht so lange warten willst auf eine anerkannte Diagnose, schreib mir gerne.
Kurz darauf absolvierte ich in Frankfurt auch noch die Fortbildung in „Autismus Diagnostik und Therapie“.
Autistisch zu sein heißt nicht automatisch ein Psycho zu sein
Was habe ich als Kind nicht alles für Spitznamen bekommen. Pumuckel, Rotfuchs, Feuermelder, Brodersen das Brötchen, Dany mit Sahne und eben Psycho. Ja ich wurde Psycho genannt. Nachdem ich auf all die Spitznamen ansprang wie eine Rakete, bettelte ich darum wenigstens in Ruhe gelassen zu werden, sofern es nicht möglich sei mich so zu akzeptieren wie ich bin. Auch in der Schule schon war ich anders. Smalltalk lag mir einfach nicht, aber Deeptalk. Ich konnte vielen „Oberflächlichkeiten“ nichts abgewinnen. Meine Freunde waren immer entweder jünger als ich oder älter. Mit Gleichaltrigen teilte ich lediglich Spezialinteressen.
Und so hörte ich gut zu, beobachtete viel und ahmte nach. Zur Verteidigung spiegelte ich die anderen mit ihrem Verhalten. Die Reaktion: typisch neurotypisch; kein Mensch verträgt ein Echo!!! Alle wollen, dass du ehrlich bist, deine Meinung sagst, ertragen dann aber nicht die unverblümte Wahrheit. Wie Diplomatie geht, hatte mir bis dahin kein Mensch gezeigt. Auch mein sozialer Autopilot (auch als Gewissen bekannt) war nicht gut ausgebildet. Zugegeben mittlerweile habe ich auch hier gelernt auf eine empathische Art und Weise mich mitzuteilen, wobei das Thema Empathie ja auch schon wieder ein Thema für sich ist. Im Übrigen haben Autisten Empathie. Manchmal sogar zuviel davon. Im Uns Anpassen sind wir Autisten ja Meister.
Autistisch zu sein ist psychologisch logisch
Ich verbog mich. Ich belog mich. Ich konnte nicht unterscheiden zwischen wichtig und unwichtig. Ich wusste nicht was erwartet wurde, also tat ich was mir gesagt wurde. „Stell dich nicht so an“, „Sei nicht so empfindlich“, „Du bist ja so ein Sensibelchen“. Als Folge daraus fing ich noch an mich, meine Gefühlswelt und meinen Selbstausdruck zu unterdrücken. Das kann ich übrigens nicht weiter empfehlen. Sich nicht zu spüren, oder sich erst zu spüren, wenn es richtig dolle weh tut, ist nichts, was ich als gut oder sinnvoll bezeichnen würde. Sei es bei Kreuzschmerzen oder Zahnschmerzen. Ich spürte den Schmerz erst, wenn es richtig tief entzündet war.
Erscheren hinzu kam meine Gutgläubigkeit und Naivität. Ich hinterfragte den Rat der Ärzte kaum. Ich holte mir keine zweite Meinung ein. Und auch wenn ich so manchen Arztbrief ungerecht formuliert fand: Ändern konnte ich es eh nicht.
Meine Mitschülern konnten mich gut verarschen und zu allerlei Mutproben überreden. Um dazu zu gehören tat ich alles, während ich in den Pausen auf dem Schulhof mit allen anderen Außenseitern dem Treiben der anderen zuschaute. Mein Wunsch dazu zu gehören, war ungebrochen, jedoch strengt es mich an so zu tun als ob. Es strengt mich an zu lügen, mich zu fügen, mich einfach anzupassen. Und das tut es zeitweise immer noch. Jedoch bin ich mittlerweile um einige Fähigkeiten reicher. Ich weiß dass es manchmal besser ist den Mund zu halten, wenn nichts gescheites rauskommt. Das hätte ich gerne früher gewusst. Mir wäre viel Frust und Enttäuschung erspart geblieben.
Wer ist hier eigentlich ein Autist?
Bei all den Fähigkeiten (man sagt auch Skills dazu) die ich mir aneignete, sei es in Psychologie, Kommunikation oder Politik: Ich traf auf Menschen, die neurotypisch erschienen, aber auch nur begrenzt zuhören konnten (oder wollten). Wobei ich mich immer noch frage, ob es mein Sprachmuster war, was dazu führte, dass mir nicht zugehört wurde, oder ob es so´n typisches Verhaltensmuster ist von allen Menschen, nur dann zuzuhören, wenn es interessant genug erscheint.
Ich lernte nach den Sieben der Weisheit, dass man weise prüfen soll, was man von sich gibt. Man soll das, was man sagen will, überprüfen ob es relevant ist, ob es ehrlich ist und ob es liebevoll ist. Kennen neurotypische Menschen diese drei Siebe auch oder ist das wieder nur so eine unsichtbare Gesetzesnorm, die nur für Autisten gilt, aber nicht für Nicht- Autisten? Dasselbe kann ich übrigens über Humor sagen. Ich finde vieles einfach nicht witzig. Soll ich jetzt trotzdem mitlachen, um zu zeigen dass wir auf einer Wellenlänge sind? Wer entscheidet eigentlich darüber was ein Witz ist und damit lustig genug um darüber zu lachen?
Asperger Autismus: Anzeichen, Merkmale und Symptome
Ich muss zugeben: Bevor ich erfahren habe, dass ich selber ein Asperger Autist bin, wusste ich nicht allzuviel über Autismus. Ich hatte sogar Vorurteile gegenüber Autisten. Für mich waren viele von Ihnen diese in Film und Fernsehen überspitzt dargestellten und überzeichneten Protagonisten aus Serien wie „Dr. House“, „A Good Doctor“ oder „Monk“. Viele Autisten die ich durch meine therapeutische Arbeit vorher kennen lernen durfte, waren übrigens nicht so. Und viele von Ihnen leiden unter den Vorurteilen, welche die Gesellschaft von ihnen hat.
Bevor ich jetzt Klischees entmystifiziere, will ich mich lieber den wissenschaftlich belegten Merkmalen hingeben. Denn insbesondere in diesen finde ich mich wieder. Ich muss aber anfangen mit dem Bild vom Kanner- Autismus, also dem frühkindlichen Autismus, denn diese Form ist das, was vermutlich die meisten Ottonormalverbraucher unter Autismus verstehen.
Kanner Autismus:
- Frühe Diagnose durch hohe Symptomausprägung
- Personen ziehen oft soziale Isolation vor und zeigen wenig Interesse an sozialer Interaktion
- Verzögerte Entwicklung von Intelligenz und Sprache
- Repeptives Verhalten, aber wenig spezielle Interessen
- Starker Widerstand gegenüber Veränderung
Zugegeben spiegelte sich auch in dieser Beschreibung das, was ich unter Autismus verstand. Die Band Pur schrieb einst ein Lied darüber, welches diesen Zustand ganz gut beschreibt. „Ich will raus hier“
Autisten scheinen in ihrer eigenen Welt zu sein. Manche von Ihnen tragen sogar Helme, zum Schutz für den Kopf, der mitunter an die Wand geschlagen wird. Im Vergleich dazu erscheint der Asperger Autismus weniger typisch zu sein.
Asperger Autismus:
- Mildere Form mit teilweise hohen Begabungen
- Oft Interesse an Interaktion, jedoch Probleme im Kontakt
- Sprache gut entwickelt, Probleme in der nonverbalen Kommunikation
- Spezialinteressen
- Oft spätere Diagnose (nach dem 6. Lebensjahr oder wie ich erst mit 40)
- Eigentümliches Verhalten bei teils hoher Anpassungsfähigkeit (Freaks und Geeks, die gut sind im maskieren)
In der aktuell vorherrschenden ICD-10 wird im Übrigen nur zwischen dem frühkindlichen Autismus (F.84.0), dem atypischen Autismus (F.84.1) und der Autismus Psychopathie (F.84.5) unterschieden. Laut dieser Klassifikation sind viele Asperger als Psychopathen verschrien, was jedoch oftmals nicht richtig ist. Es gibt Unterschiede zwischen einer antisozialen (psychopathischen) Persönlichkeitsstörung und der Autismus Psychopathie (Asperger Autismus). Diese jedoch hier aufzugreifen, geht meines Erachtens zu weit. Lediglich eine Tatsache möchte ich gerne hervorheben: Viele Autisten wollen lernen, brauchen aber sehr lange dafür, während Menschen mit einer antisozialen Persönlichkeitsstörung nicht willig sind es zu lernen, obwohl sie vermutlich weniger Zeit dafür bräuchten.
Mein Asperger Autismus, ein komplexes Trauma und die Bewältigung von allem
Ich wollte Kontakt, hatte aber so meine Schwierigkeiten. Die vielen Übergriffigkeiten und Ungerechtigkeiten in Bezug auf meine Schwester, meiner unbewussten Mutter führten zur einen oder anderen Traumatisierung und zu massiven Vertrauensproblemen. Zudem bildete sich mein (Un-)gerechtigkeitssinn extrem aus. Ich konnte es nicht haben, wenn auf Menschen rumgehackt wird, die noch schwächer sind als diejenigen, die auf ihnen rumhacken. So stand ich auf dem Schulhof auch immer bei den Außenseitern.
Meine Mutter dagegen wollte nicht dass ich mit denen befreundet bin. In ihrer Sicht waren die Freunde, die ich mir ausgesucht habe, nicht würdig genug für ihren Anspruch an Normalität. Ich hatte ein Faible für Meinesgleichen. Ich zog also wohl schon damals ebenso neurodivergente Menschen an. Da ich jedoch von meinen Eltern gezwungen wurde alles Unnormale an mir abzustellen und diejenigen die ich gut fand zu meiden, wuchs ich mit den Gedanken auf, dass ich keine Freunde haben durfte. Zu meiner Unfähigkeit Kontakt aufzunehmen mit Gleichaltrigen gesellte sich also der Gedanke, dass so eine Freundschaft eh nicht lange halten wird, wenn meiner Mutter dieser Kontakt nicht zusagt.
Die Welt ein einziges großes Chaos
Die Karriere die ich anschließend machte, war ein reines Chaos. Ich durfte ja nicht ich selbst sein. Ich verstellte mich. Bis ich an einer Depression erkrankte. Mein Spezialinteresse wurde mir genommen. Mal wieder und wieder. Ich sollte was Anständiges werden laut meinen Eltern. Sie fanden ich könnte Heilerziehungspfleger oder Altenpfleger werden. Als Mensch der viel Struktur braucht, ist so ein Beruf ja nicht so optimal. Ich bin zwar empathisch, aber nicht sonderlich flexibel. Jedoch wurde ich gezwungen dies zu lernen. Und so scheiterte ich, weil es ja so kommen musste. Ich landete dann das erste Mal in der Psychiatrie und wurde wiederum fälschlicherweise diagnostiziert mit Schizophrenie.
Und so wurde ich stattdessen nach vielen langen Anläufen und bürokratischen Hürden und weiteren schlimmen Erfahrungen erstmal Veranstaltungskaufmann. Ich sehnte mich schließlich nach Anerkennung, die mir mein ganzes Leben lang verwehrt blieb. So hatte ich zwar in dieser Zeit viele Affären und kurzfristige Beziehungen, jedoch eine echte Verbindung konnte ich nicht eingehen. Wobei zu Autistinnen fühlte ich schon diese gewisse Anziehungskraft.
Leider begegnete ich auf meinem Weg nur zweien von Ihnen und auch wenn die Beziehungen schön waren, hielten sie nicht dauerhaft. Denn beide konnten auf Dauer noch weniger Nähe ab, als ich. Und so opferte ich mich in vielen Beziehungen auf. Ich passte mich an. Ich unterdrückte meine wahren Bedürfnisse. Wie beruflich, so auch schließlich privat. Mein (liebes) Leben ein reines Chaos. Und ich fand als Veranstaltungskaufmann keinen Job. Ich landete dann sowohl bei MC Donalds, als auch im Callcenter. So versuchte ich es nochmals in der Pflege.
Meltdown, Overload, Shutdown
Die Erschöpfungszustände jedoch waren nur eine Frage der Zeit. In meiner ersten Ausbildung bekam ich einen Ausfall der Vestibularis, d.h. mein Gleichgewichtsorgan versagte. In meiner zweiten Ausbildung geriet ich mit einer Mitschülerin aneinander, die mir zu Weihnachten Seife schenken wollte. Und die dritte Ausbildung die ich in der Pflege begann, schmiss ich dann selber – weil ich endlich erkannte dass ich die Heilpraktikerprüfung schaffen kann, wenn ich Stimulanzien einnehme.
Früh hatte ich nämlich mein ADHS negiert und ignoriert, d.h. aufgrund meiner vielen Erfahrungen als Kind und Heranwachsender so getanh als wäre ich normal, was mir ja wirklich prima gelang (Ironie Off). Denn mein Leben war geprägt von Neuanfängen, Abbrüchen, Wiederauferstehunngen, Neuerfindungen und Krankheiten. Mein Körper zeigte mir ständig, dass ich Hilfe brauchte, welche ich aber nur zeitweise annehmen konnte, zu groß war die Angst vor Kontrollverlust und Stigmatisierung. Irgendwann dann aber sah ich es ein, dass es so nicht weiter gehen konnte und bat meinen Psychiater mir mit Medikinet zu helfen, was er letztlich auch tat.
Asperger Autismus vs. Autismus Spektrum
Und so fand ich irgendwie immer mehr und dauerhaft zu mir selbst. Ich bekannte mich zu meiner ADHS und nahm wieder die Medikamente gegen den Stress. Und den Rest habe ich bereits am Anfang beschrieben. Nachdem ich die Heilpraktikerprüfung bestanden hatte, bin ich beim Thema ADHS geblieben. Darauf folgte dann zwangsläufig die Diagnose Asperger Autismus. Eine Diagnose die ich übrigens völlig akzeptieren kann. Ganz anders als die bisherigen Fehldiagnosen, weswegen ich auch viel in den Medien war. Aber selbst in der ICD-10 steht ja, ein Autist ist kein Narzisst, auch wenn ich kein Smalltalk kann.
Für mich ist Kommunikation eine Möglichkeit Informationen auszutauschen. Ich möchte mich schließlich weiter entwickeln. Mir war bis vor einiger Zeit nicht bewusst, dass es bestimmte Fähigkeiten bedarf um mit Menschen in Kontakt zu treten. Die einen nennen es Smalltalk, die anderen Empathie.
Die Sache mit der Empathie
Empathie kann man lernen. Man muss sich nur anfangen für seine Mitmenschen zu interessieren. Und als Heilpraktiker tat ich dies ja. Ich hatte nur nicht die Fähigkeiten dazu. Und so machte ich die Ausbildung zum Familientrainer nach Gordon. Ich finde es ist heutzutage wichtig zu lernen wie man helfende Fähigkeiten entwickelt. Ich mag es Türen zu öffnen zu verschiedenen Welten. Auch mag ich es Räume für Menschen zu halten, denen es schwer fällt die eigenen Gedanken auszuschalten.
Man braucht nicht für alles sofort eine Lösung. Manchmal ist das reine Zuhören eine sehr hilfreiche Lösung. Wenn der andere reden kann, und ijm zugehört wird, ist es eine Erlösung. Dafür muss man lediglich lernen sich abzugrenzen, d.h. nicht alles auf sich zu beziehen oder persönlich zu nehmen. Als Therapeut in der täglichen Arbeit mit Menschen die vom Asperger Autismus oder einem Trauma betroffen sind, auf jeden Fall eine sehr sinnstiftende Fähigkeit, die mich durchaus bereichert.