Co-Abhängigkeit:
Wenn ungesunde Beziehungen zur Sucht werden

Co-Abhängigkeit und Beziehungssucht sind zwei Begriffe, die oft in Zusammenhang mit problematischen Beziehungsmustern stehen. Sie beschreiben komplexe emotionale Zustände und Verhaltensweisen, die in vielen Beziehungen auftreten können, insbesondere wenn eine Person mit einer Sucht, wie zum Beispiel Alkoholabhängigkeit, zu kämpfen hat oder wenn zwei traumatisierte Personen sich in einer narzisstischen Kollusion wiederfinden.

Co-Abhängigkeit kennst du womöglich noch unter folgenden Synonymen: 

People Pleasing, Co-Narzissmus, Traumabond, dependenter Persönlichkeitsstil, Stockholm-Syndrom, Cinderella-Syndrom

Was ist Co-Abhängigkeit?

Co-Abhängigkeit ist kein eigenes Krankheitsbild, auch wenn es viele Überlappungen mit der dependenten Persönlichkeitsstörung gibt. Co-Abhängigkeit ist ein Zustand, in dem Betroffene häufig nicht in der Lage sind ihre lebhaften Bedürfnisse ohne schlechtes Gewissen zum Ausdruck zu bringen. Manche von Ihnen berauben sich der eigenen Identität und definieren sich über die Meinung anderer. Betroffene  neigen dazu sich übermäßig anzupassen, ihre Grenzen zu Gunsten eines anderen zu verschieben. Sie sind bekannt für ihr Streben nach es anderen Recht zu machen. Nicht wenige Betroffene versuchen gar zu kontrollieren, was andere von ihnen denken. 

Populär gemacht wurde der Begriff durch Colette Dowling, die sich in ihrem Buch „Der Cincerella Komplex“ ernsthaft mit der Co-Abhängigkeit der Frau beschrieb, demzufolge die Frau sich erst von den Fesseln ihrer Kindheit lösen kann, wenn sie sich an einen Mann bindet, für den sie sorgen kann, um ihren eigenes Bedürfnis nach Sicherheit zu erfüllen. 

Colette Dowling beschreibt in ihrem Buch Der Cinderella-Komplex – Die heimliche Angst der Frauen vor der Unabhängigkeit die unbewusste Angst von Frauen vor der eigenen Verantwortung und – wie im Märchen von Aschenputtel – die heimliche tiefverwurzelte Sehnsucht nach einem Traumprinzen, der sie rettet und versorgt. (Quelle Wikipedia)

Ursprünglich wurde der Begriff „Co-Abhängigkeit“ im Zusammenhang mit Familienmitgliedern von Alkoholikern verwendet. Er beschreibt Menschen, die eine intensive emotionale und psychische Abhängigkeit von der Sucht eines anderen entwickeln. Co-Abhängige sind oft so stark auf die Bedürfnisse und das Wohlbefinden des Süchtigen fixiert, dass sie ihre eigenen Bedürfnisse vernachlässigen und schädliche Verhaltensweisen entwickeln, um den Süchtigen zu unterstützen.

Co-Abhängigkeit ist jedoch nicht auf Beziehungen zu Süchtigen beschränkt. Sie kann in jeder Art von Beziehung auftreten, sei es romantisch, familiär oder freundschaftlich. Das Hauptmerkmal der Co-Abhängigkeit ist die Tendenz, das eigene Selbstwertgefühl und die Identität an die Anerkennung und das Wohlwollen eines anderen Menschen zu knüpfen.

Nicht selten werden deswegen bevorzugt Menschen angezogen, die selber Co-abhängig sind, d.h abgetrennt von sich selbst sind und somit co-abhängig leben. 

Auch im Neurodivergenten Spektrum begegnet uns das Phänomen der Co-Abhängigkeit häufig. Zum Beispiel wenn Autisten auf ADHS´ler treffen, oder zwei Hochsensible Charaktere sich begegnen. 

Co-Abhängigkeit vs. verdeckter Narzissmus

Wenn zwei Co-Abhängige aufeinander treffen, was in der heutigen Zeit gar nicht so selten der Fall ist, dann schaffen sich beide eine Co-abhängige Beziehung, indem ihre jeweiligen Muster bedient werden. Der eine zum Beispiel sehnt sich nach Nähe, während der andere sich mehr nach Sex sehnt. Sie sind aufeinander angewiesen um sich das zu geben, was sie brauchen. 

Nicht selten greifen dabei beide Partner zu den gleichen Mechanismen. Sie versuchen sich offen oder verdeckt zu kontrollieren um die Liebe und Bestätigung zu bekommen, die sie sich vom jeweils anderen wünschen. Nicht selten entstehen dabei Machtspielchen, in denen beide versuchen den jeweils anderen zu manipulieren. 

Das Wechselspiel von Dominanz und Unterwerfung beherrschen Co- Abhängige in der Regel ganz gut.  Ein Synonym für Co-Abhängigkeit ist der verdeckte Narzissmus. Auch das Helfersyndrom oder der Begriff Fawn Response wird gern mit dem Phänomen der Co-Abhängigkeit in Verbundung gebracht.  

Da ich jedoch nicht mit diesen Begriffen arbeite, verwende ich in meiner Praxis den Begriff des Narzissten nicht. Aus meiner Sicht ist es entwertend einen Menschen so zu bezeichnen. 

Es ist aus meiner Sicht auch nicht hilfreich sich über das Narzissmus Phänomen auszutauschen, wenn es doch um die eigene Bedürftigkeit geht, die zur emotionalen Abhängigkeit führte. 

Anders als auf vielen Seiten im Internet beschrieben, wird ein erwachsener Co-Abhängiger in toxischen Beziehungen nicht von einem anderen Co-Abhängig macht, sondern die oftmals in der Kindheit erlernten Beziehungsmuster kommen zum Tragen. Dabei durchläuft jeder Betroffene die drei Phasen der Co-Abhängigkeit: beschützen – kontrollieren – anklagen.

Betroffene neigen dazu sich selbst abhängig von einem anderen zu machen. Einerseits um sich selbst zu schützen, andererseits aber auch die Beziehung zu schützen, denn nur diese Beziehung gibt vermeintliche Sicherheit.  Sie sehen es als ihre Pflicht an, den Schein zu wahren. Jedes Mittel erscheint ihnen Recht. 

Da ihr Gegenüber jedoch scheinbar nicht mitarbeitet und der Beziehungserhalt immer anstrengender wird, neigen Co-Abhängige dazu ihre Partner dafür anzuklagen, dass sie sich selbst solange aufgeopfert haben. Hinzukommt dass viele Betroffene unter einer Bindungsangst oder starken Verlustangst leiden.  

Im Neurodivergenten Zeitalter bzw. der Nachkriegszeit, erkennen immer mehr Menschen, dass sie aufgrund ihrer erlernten Muster und erlebten Traumata und der damit einhergehenden eingeschränkten Abgrenzungsfähigkeit lernen dürfen, für sich und ihre Bedürfnisse einzustehen. Wir alle dürfen uns Zeit nehmen, an uns selbst zu denken ohne ständig darauf zu achten, was jetzt andere davon halten.  

Nein sagen fällt schwer

Warum es Co-Abhängigen schwer fällt Nein zu sagen

Menschen die von Co-Abhängigkeit betroffen sind, haben häufig nicht gelernt sich abzugrenzen. Früh waren sie gezwungen dafür Verantwortung für andere zu übernehmen. Oft fehlt es Ihnen an Erfahrung, dass eigene Bedürfnisse wichtig sind. Ein „Nein“ stand häufig unter Strafe in ihrer Vergangenheit. 
Nein zu sagen ist ein Schritt aus der Komfortzone. Wer Nein sagt, will was verändern und wer was verändern will, eckt häufig an, weil er abweicht vom Gewöhnlichen. Menschen die sich nicht trauen Nein zu sagen, haben zu große Angst davor Ja zu sich selbst zu sagen und sind es gewohnt sich unter Wert zu verkaufen. Ich kenne viele ADHS- Betroffene oder Menschen mit Autismus Spektrumstörungen die aufgrund ihrer gemachten Erfahrungen einen eingeschränkten Selbstwert haben und sich deswegen überfordern. 

 

Die häufigsten Gründe (Ängste), warum es Co-Abhängigen schwer fällt Nein zu sagen:

  • Angst vor Ablehnung
  • Angst vorm Verlassen werden /vor Ausgrenzung
  • Angst davor andere zu verletzten
  • Angst vor der Auseinandersetzung (dem Konflikt)
  • Angst vor Kontrollverlust
  • Angst vor Veränderung/vor der eigenen Größe

Die Facetten der Co-Abhängigkeit

People Pleasing

People Pleasing beschreibt das Verhalten von Menschen, die bestrebt sind, die Erwartungen und Wünsche anderer zu erfüllen, oft auf Kosten ihrer eigenen Bedürfnisse und Gefühle. Dieses Verhalten resultiert häufig aus einem tiefen Bedürfnis nach Anerkennung, Akzeptanz und Harmonie und ist oft mit Angst vor Ablehnung oder Kritik verbunden.

Menschen, die zu People Pleasing neigen, sagen oft „Ja“, obwohl sie „Nein“ sagen möchten, und stellen die Bedürfnisse anderer über ihre eigenen. Sie vermeiden Konflikte und streben danach, gemocht und geschätzt zu werden. Während es zunächst positiv erscheinen kann, auf die Bedürfnisse anderer einzugehen, kann dieses Verhalten langfristig negative Auswirkungen haben.

In meiner Arbeit mit Menschen aus dem Neurodivergenten Spektrum sind mir viele Betroffene schon begegnet, die sich schwer tun, Grenzen zu setzen und einzuhalten. 

Traumabonding

Traumabonding, auch als Trauma-Bindung bekannt, beschreibt eine intensive emotionale Bindung zwischen einer Person und ihrem Misshandler. Diese Bindung entsteht oft in missbräuchlichen Beziehungen, sei es in Partnerschaften, familiären Verhältnissen oder auch in Freundschaften. Sie entwickelt sich durch einen Kreislauf von Missbrauch und anschließender vermeintlicher Zuneigung, was zu einer starken Abhängigkeit und Verwirrung bei der betroffenen Person führt.

Der Begriff bezieht sich auf das Phänomen, dass Opfer von Missbrauch trotz der schädlichen Dynamik an ihrem Täter festhalten. Dies geschieht oft unbewusst und basiert auf einem Wechselspiel von Angst, Isolation und intermittierender Verstärkung. 

Co-Narzissmus

Co-Narzissmus bezeichnet das Verhalten von Menschen, die in enger Beziehung zu einem Menschen mit stark narzisstischen Zügen stehen und sich unbewusst an dessen Bedürfnisse und Verhaltensweisen anpassen. Häufig sind dies Partner, Familienmitglieder oder enge Freunde, die versuchen, die emotionalen Anforderungen eines sehr fordernden, ich-bezogenen, dominanten Partners zu erfüllen, oft auf Kosten ihrer eigenen Identität und Bedürfnisse.

Ein Co-Narzisst nimmt häufig die Rolle des Friedensstifters oder Beschwichtigers ein und versucht, die Launen und Bedürfnisse des Narzissten zu antizipieren und zu befriedigen. Dabei geht es nicht nur um die Vermeidung von Konflikten, sondern auch um das Aufrechterhalten eines Scheins von Harmonie. Diese Dynamik kann zu einem Gefühl der emotionalen Erschöpfung und des Verlusts der eigenen Identität führen.

Dependenter Persönlichkeitsstil

Der dependente Persönlichkeitsstil ist durch ein starkes Bedürfnis nach Unterstützung und Bestätigung durch andere gekennzeichnet. Menschen mit diesem Persönlichkeitsstil streben danach, umsorgt zu werden, und haben oft Schwierigkeiten, Entscheidungen selbstständig zu treffen oder Verantwortung zu übernehmen. Sie neigen dazu, sich auf andere zu verlassen und ziehen es vor, untergeordnet oder in einer abhängigen Rolle zu bleiben.

Ein zentraler Aspekt des dependenten Persönlichkeitsstils ist die Angst vor dem Alleinsein oder Verlassenwerden. Betroffene befürchten, dass sie ohne die Hilfe anderer nicht in der Lage wären, ihr Leben zu bewältigen. In Beziehungen zeigen sie sich oft besonders entgegenkommend, unterwürfig und bemüht, um Konflikte zu vermeiden und die Beziehung zu erhalten. Manche von Ihnen passen sich auch an oder opfern sich auf. 

Beziehungssucht und Co-Abhängigkeit: Ursachen

Insbesondere Kinder von psychisch kranken und süchtigen Eltern, entwickeln ein Verhalten, was Fachleute mit dem Begriff der Co-Abhängigkeit umschreiben. Sie unterdrücken ihre eigenen Bedürfnisse und opfern sich auf. Sie verschieben ihre Grenzen immer zugunsten der anderen. 

Nicht wenige Kinder entwickeln Schuld und/oder Schamgefühle und befürchten verlassen zu werden, wenn sie das Gefühl vermittelt bekommen, nicht genug zu sein. Für viele Betroffene ist dieser Zustand unerträglich, wissen sie nicht woran sie sind und was von ihnen erwartet wird.   

Dieses Muster zieht sich oft wie ein Kaugummi durch ihr Leben und begleitet viele Betroffene später auch als Erwachsene in ihren Beziehungen, in denen sie ähnliche Erfahrungen machen, ohne sich anfangs groß dagegen zu wehren.

Während Kinder ihre Eltern brauchen und verständlicherweise viel Verständnis zeigen und nach Außen hin versuchen des Schein zu wahren, halten viele Erwachsene Menschen die von Co-Abhängigkeit betroffen sind an toxischen Beziehungen fest, bis sie krank werden oder selbst toxisches Verhalten entwickeln und dies wiederrum auf ihre eigenen Kinder übertragen. 

Co-Abhängigkeit überwinden in Bremen

Paartherapie

Lebt ihr beide in einer co-abhängigen Beziehung? Möchtet ihr beide daran etwas verändern? Hat einer von Euch beiden ggf. ein Suchtproblem? Seid ihr beide ggf. sogar neurodivergent?

Dann könnte euch eine Paartherapie ggf. helfen wieder Selbstsicherheit zu finden und damit auch wieder eine stabile Kommunikationsebene erschaffen. 

Gordon Familientraining

Habt ihr die Verhaltens und Kommunikationsmuster eurer eigenen Eltern übernommen? Fällt es dir schwer mit deinen Kindern auf Augenhöhe zu kommunizieren? Hältst du dein Kind für anstrengend? Tanzt es dir auf der Nase herum?  Neigst du dazu nachzugeben? 

Dann könnte dir das Gordon Familientraining helfen. 

Schematherapie

Wiederholen sich deine Muster in deinen Beziehungen? Ziehst du immer den gleichen Typ Mann/Frau an?  War deine letzte Beziehung gar toxisch und für dich traumatisch?

Möchtest du endlich stabile Beziehungen führen? 

Dann könnte eine Schematherapie ein Teil deiner Lösung sein. 

Yager- Therapie/EMDR

Ist deine Beziehung zu deinen Eltern angespannt? Fühlst du dich vor oder nach Treffen mit deinen Eltern immer so müde, erschöpft und leer?

Ärgerst du dich ggf. sogar dass du dich wieder auf Kontakt eingelassen hast?

Dann könnte dir ggf. eine Yager-Therapie oder EMDR- Behandlung helfen.